Phase 1

Betrachten Sie Goethes 1797 entstandene Zeichnung ‚Prolog im Himmel’ genauer.

  1. Welche Wirkungen gehen von der bildlichen Darstellung auf Sie aus?
  2. ‚Was’ wird ‚wie’ und ‚warum’ so von Goethe bildlich dargestellt?
  3. Wie würden Sie auf der Grundlage der von Goethe angefertigten Zeichnung eine Theateraufführung zum ‚Prolog im Himmel’ inszenieren? Notieren Sie in Stichworten erste Überlegungen.
Faust. Eine Tragödie.

MEPHISTOPHELES. Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst
Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,
Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst,
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
Von Sonn‘ und Welten weiß ich nichts zu sagen,
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd‘ er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennt‘s Vernunft und braucht‘s allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
Er scheint mir, mit Verlaub von Euer Gnaden,
Wie eine der langbeinigen Zikaden,
Die immer fliegt und fliegend springt
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;
Und läg‘ er nur noch immer in dem Grase!
In jeden Quark begräbt er seine Nase.

DER HERR. Hast du mir weiter nichts zusagen?
Kommst du nur immer anzuklagen?
Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?

MEPHISTOPHELES. Nein, Herr! ich find‘ es dort, wie immer, herzlich schlecht.
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.

DER HERR. Kennst du den Faust?

MEPHISTOPHELES. Den Doktor?

DER HERR. Meinen Knecht!

MEPHISTOPHELES. Fürwahr! er dient Euch auf besondre Weise.
Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,
Und alle Näh‘ und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.

DER HERR. Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient,
So werd‘ ich ihn bald in die Klarheit führen.
Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,
Daß Blüt‘ und Frucht die künft‘gen Jahre zieren.

MEPHISTOPHELES. Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren,
Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,
Ihn meine Straße sacht zu führen!

DER HERR. Solang‘ er auf der Erde lebt,
Solange sei dir‘s nicht verboten.
Es irrt der Mensch, solang‘ er strebt.

MEPHISTOPHELES. Da dank‘ ich Euch; denn mit den Toten
Hab‘ ich mich niemals gern befangen.
Am meisten lieb‘ ich mir die vollen, frischen Wangen.
Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;
Mir geht es wie der Katze mit der Maus.

DER HERR. Nun gut, es sei dir überlassen!
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
Und führ‘ ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf deinem Wege mit herab,
Und steh beschämt, wenn du bekennen mußt:
Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.

MEPHISTOPHELES. Schon gut! nur dauert es nicht lange.
Mir ist für meine Wette gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.
Staub soll er fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange.

DER HERR. Du darfst auch da nur frei erscheinen;
Ich habe deinesgleichen nie gehaßt.
Von allen Geistern, die verneinen,
Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
Des Menschen Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen,
Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb‘ ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen. —
Doch ihr, die echten Göttersöhne,
Erfreut euch der lebendig reichen Schöne
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfass‘ euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestiget mit dauernden Gedanken.

Der Himmel schließt, die Erzengel verteilen sich.

MEPHISTOPHELES. allein. Von Zeit zu Zeit seh‘ ich den Alten gern,
Und hüte mich, mit ihm zu brechen.
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.

Phase 2a

  1. Schauen Sie sich den Ausschnitt aus der Inszenierungsverfilmung vom ‚Prolog im Himmel’ von Gustaf Gründgens (1960) genau an.
  2. Notieren Sie zunächst im Schreibfeld 1: Wie wirkt die Inszenierung auf Sie persönlich und woran machen Sie Ihre Eindrücke fest?
  3. Notieren Sie anschließend im Schreibfeld 2: ‚Was’ wird ‚wie’ und ‚warum’ so von Gründgens inszeniert und umgesetzt?
  4. Welches Bild von Gott und welches Bild von Mephistopheles wird in der Inszenierung entworfen? Veranschaulichen Sie Ihr Ergebnis durch je ein Foto der beiden aus dem Verfilmungsausschnitt.
  5. Tipp

  6. Ordnen sie den beiden Fotos vom Herrn und von Mephistopheles jeweils eine passende Passage aus dem Prolog zu.

‚Prolog im Himmel’ von Gustaf Gründgens (1960)

Faust. Eine Tragödie.

MEPHISTOPHELES. Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst
Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,
Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst,
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
Von Sonn‘ und Welten weiß ich nichts zu sagen,
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd‘ er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennt‘s Vernunft und braucht‘s allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
Er scheint mir, mit Verlaub von Euer Gnaden,
Wie eine der langbeinigen Zikaden,
Die immer fliegt und fliegend springt
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;
Und läg‘ er nur noch immer in dem Grase!
In jeden Quark begräbt er seine Nase.

DER HERR. Hast du mir weiter nichts zusagen?
Kommst du nur immer anzuklagen?
Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?

MEPHISTOPHELES. Nein, Herr! ich find‘ es dort, wie immer, herzlich schlecht.
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.

DER HERR. Kennst du den Faust?

MEPHISTOPHELES. Den Doktor?

DER HERR. Meinen Knecht!

MEPHISTOPHELES. Fürwahr! er dient Euch auf besondre Weise.
Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,
Und alle Näh‘ und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.

DER HERR. Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient,
So werd‘ ich ihn bald in die Klarheit führen.
Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,
Daß Blüt‘ und Frucht die künft‘gen Jahre zieren.

MEPHISTOPHELES. Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren,
Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,
Ihn meine Straße sacht zu führen!

DER HERR. Solang‘ er auf der Erde lebt,
Solange sei dir‘s nicht verboten.
Es irrt der Mensch, solang‘ er strebt.

MEPHISTOPHELES. Da dank‘ ich Euch; denn mit den Toten
Hab‘ ich mich niemals gern befangen.
Am meisten lieb‘ ich mir die vollen, frischen Wangen.
Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;
Mir geht es wie der Katze mit der Maus.

DER HERR. Nun gut, es sei dir überlassen!
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
Und führ‘ ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf deinem Wege mit herab,
Und steh beschämt, wenn du bekennen mußt:
Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.

MEPHISTOPHELES. Schon gut! nur dauert es nicht lange.
Mir ist für meine Wette gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.
Staub soll er fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange.

DER HERR. Du darfst auch da nur frei erscheinen;
Ich habe deinesgleichen nie gehaßt.
Von allen Geistern, die verneinen,
Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
Des Menschen Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen,
Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb‘ ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen. —
Doch ihr, die echten Göttersöhne,
Erfreut euch der lebendig reichen Schöne
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfass‘ euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestiget mit dauernden Gedanken.

Der Himmel schließt, die Erzengel verteilen sich.

MEPHISTOPHELES. allein. Von Zeit zu Zeit seh‘ ich den Alten gern,
Und hüte mich, mit ihm zu brechen.
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.

Notizfeld

Phase 2b

  1. Schauen Sie sich den Ausschnitt aus der Inszenierungsverfilmung vom ‚Prolog im Himmel’ von Dieter Dorn (1987) genau an.
  2. Notieren Sie zunächst im Schreibfeld 1: Wie wirkt die Inszenierung auf Sie persönlich und woran machen Sie Ihre Eindrücke fest?
  3. Notieren Sie anschließend im Schreibfeld 2: ‚Was’ wird ‚wie’ und ‚warum’ so von Dorn inszeniert und umgesetzt?
  4. Welches Bild von Gott und welches Bild von Mephistopheles wird in der Inszenierung entworfen? Veranschaulichen Sie Ihr Ergebnis durch je ein Foto der beiden aus dem Verfilmungsausschnitt.
  5. Tipp

  6. Ordnen sie den beiden Fotos vom Herrn und von Mephistopheles jeweils eine passende Passage aus dem Prolog zu.

‚Prolog im Himmel’ von Dieter Dorn (1987)

Faust. Eine Tragödie.

MEPHISTOPHELES. Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst
Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,
Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst,
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
Von Sonn‘ und Welten weiß ich nichts zu sagen,
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd‘ er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennt‘s Vernunft und braucht‘s allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
Er scheint mir, mit Verlaub von Euer Gnaden,
Wie eine der langbeinigen Zikaden,
Die immer fliegt und fliegend springt
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;
Und läg‘ er nur noch immer in dem Grase!
In jeden Quark begräbt er seine Nase.

DER HERR. Hast du mir weiter nichts zusagen?
Kommst du nur immer anzuklagen?
Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?

MEPHISTOPHELES. Nein, Herr! ich find‘ es dort, wie immer, herzlich schlecht.
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.

DER HERR. Kennst du den Faust?

MEPHISTOPHELES. Den Doktor?

DER HERR. Meinen Knecht!

MEPHISTOPHELES. Fürwahr! er dient Euch auf besondre Weise.
Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,
Und alle Näh‘ und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.

DER HERR. Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient,
So werd‘ ich ihn bald in die Klarheit führen.
Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,
Daß Blüt‘ und Frucht die künft‘gen Jahre zieren.

MEPHISTOPHELES. Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren,
Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,
Ihn meine Straße sacht zu führen!

DER HERR. Solang‘ er auf der Erde lebt,
Solange sei dir‘s nicht verboten.
Es irrt der Mensch, solang‘ er strebt.

MEPHISTOPHELES. Da dank‘ ich Euch; denn mit den Toten
Hab‘ ich mich niemals gern befangen.
Am meisten lieb‘ ich mir die vollen, frischen Wangen.
Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;
Mir geht es wie der Katze mit der Maus.

DER HERR. Nun gut, es sei dir überlassen!
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
Und führ‘ ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf deinem Wege mit herab,
Und steh beschämt, wenn du bekennen mußt:
Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.

MEPHISTOPHELES. Schon gut! nur dauert es nicht lange.
Mir ist für meine Wette gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.
Staub soll er fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange.

DER HERR. Du darfst auch da nur frei erscheinen;
Ich habe deinesgleichen nie gehaßt.
Von allen Geistern, die verneinen,
Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
Des Menschen Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen,
Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb‘ ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen. —
Doch ihr, die echten Göttersöhne,
Erfreut euch der lebendig reichen Schöne
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfass‘ euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestiget mit dauernden Gedanken.

Der Himmel schließt, die Erzengel verteilen sich.

MEPHISTOPHELES. allein. Von Zeit zu Zeit seh‘ ich den Alten gern,
Und hüte mich, mit ihm zu brechen.
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.

Notizfeld

Phase 2c

  1. Schauen Sie sich den Ausschnitt aus der Inszenierungsverfilmung vom ‚Prolog im Himmel’ von Peter Stein (2000) genau an.
  2. Notieren Sie zunächst im Schreibfeld 1: Wie wirkt die Inszenierung auf Sie persönlich und woran machen Sie Ihre Eindrücke fest?
  3. Notieren Sie anschließend im Schreibfeld 2: ‚Was’ wird ‚wie’ und ‚warum’ so von Stein inszeniert und umgesetzt?
  4. Welches Bild von Gott und welches Bild von Mephistopheles wird in der Inszenierung entworfen? Veranschaulichen Sie Ihr Ergebnis durch je ein Foto der beiden aus dem Verfilmungsausschnitt.
  5. Tipp

  6. Ordnen sie den beiden Fotos vom Herrn und von Mephistopheles jeweils eine passende Passage aus dem Prolog zu.

‚Prolog im Himmel’ von Peter Stein (2000)

Faust. Eine Tragödie.

MEPHISTOPHELES. Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst
Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,
Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst,
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
Von Sonn‘ und Welten weiß ich nichts zu sagen,
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd‘ er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennt‘s Vernunft und braucht‘s allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
Er scheint mir, mit Verlaub von Euer Gnaden,
Wie eine der langbeinigen Zikaden,
Die immer fliegt und fliegend springt
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;
Und läg‘ er nur noch immer in dem Grase!
In jeden Quark begräbt er seine Nase.

DER HERR. Hast du mir weiter nichts zusagen?
Kommst du nur immer anzuklagen?
Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?

MEPHISTOPHELES. Nein, Herr! ich find‘ es dort, wie immer, herzlich schlecht.
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.

DER HERR. Kennst du den Faust?

MEPHISTOPHELES. Den Doktor?

DER HERR. Meinen Knecht!

MEPHISTOPHELES. Fürwahr! er dient Euch auf besondre Weise.
Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,
Und alle Näh‘ und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.

DER HERR. Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient,
So werd‘ ich ihn bald in die Klarheit führen.
Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,
Daß Blüt‘ und Frucht die künft‘gen Jahre zieren.

MEPHISTOPHELES. Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren,
Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,
Ihn meine Straße sacht zu führen!

DER HERR. Solang‘ er auf der Erde lebt,
Solange sei dir‘s nicht verboten.
Es irrt der Mensch, solang‘ er strebt.

MEPHISTOPHELES. Da dank‘ ich Euch; denn mit den Toten
Hab‘ ich mich niemals gern befangen.
Am meisten lieb‘ ich mir die vollen, frischen Wangen.
Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;
Mir geht es wie der Katze mit der Maus.

DER HERR. Nun gut, es sei dir überlassen!
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
Und führ‘ ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf deinem Wege mit herab,
Und steh beschämt, wenn du bekennen mußt:
Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.

MEPHISTOPHELES. Schon gut! nur dauert es nicht lange.
Mir ist für meine Wette gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.
Staub soll er fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange.

DER HERR. Du darfst auch da nur frei erscheinen;
Ich habe deinesgleichen nie gehaßt.
Von allen Geistern, die verneinen,
Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
Des Menschen Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen,
Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb‘ ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen. —
Doch ihr, die echten Göttersöhne,
Erfreut euch der lebendig reichen Schöne
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfass‘ euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestiget mit dauernden Gedanken.

Der Himmel schließt, die Erzengel verteilen sich.

MEPHISTOPHELES. allein. Von Zeit zu Zeit seh‘ ich den Alten gern,
Und hüte mich, mit ihm zu brechen.
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.

Notizfeld

Phase 3

‚Prolog im Himmel’ von Gustaf Gründgens (1960)

‚Prolog im Himmel’ von Dieter Dorn (1987)

‚Prolog im Himmel’ von Peter Stein (2000)

  1. Vergleichen Sie das Bild von Gott und das Bild von Mephistopheles in den drei Inszenierungen.
    Erläutern Sie schriftlich: Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?
  2. Welche Darstellungen der beiden Figuren spricht Sie am meisten an? Begründen Sie.

Quellen

Phase 1:
Zeichnung Goethes: ‚Prolog im Himmel’ (um 1800). Aus: Petra Misak: Johann Wolfgang Goethe. Zeichnungen. Stuttgart: Reclam Verlag 1996. S. 250.
Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Texte. Herausgegeben von Albrecht Schöne. Frankfurt a.M.: Deutscher Klassiker Verlag 1999. S. 23-28

Phase 2:
Dieter Dorn (1987): Faust. Der Tragödie erster Teil. Film nach der Inszenierung von Dieter Dorn an den Münchener Kammerspielen. Regie Dieter Dorn. Deutschland 1987.

Gustaf Gründgens (1960): Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Goethes ‘Faust I’ in der filmischen Aufbereitung der berühmten Gustaf Gründgens Inszenierung für das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg. Taurus Video, München 1991.

Peter Stein (2000): Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Fernsehfassung der Inszenierung von Peter Stein als gemeinsames Projekt von ZDF, 3sat, ARTE und ZDF Theaterkanal. 2001.